Der ROVER 'Light Six', produziert 1929, der gegen den 'Blue Train' antrat. Das Bild ist einem Artikel in MotorSport, Ausgabe 1/1991, entnommen.
In der Zeitschrift "MotorSport", Ausgabe 1/1991, schrieb "WB" - der Chefredakteur William "Bill" Boddy - einen sehr interessanten und aufschlußreichen Artikel unter dem Titel "Beating the Blue Train", der sich mit den Wettfahrten zwischen Automobil und Schnellzug befaßt. Dieser Artikel gibt Einblick in die Wettfahrt zwischen dem ROVER 'Light Six' und dem 'Blue Train' zu Anfang des Jahres 1930.
Unter den Herausforderungen, die sich Enthusiasten für sich und ihre Autos in der Vorkriegszeit ausdachten, war das Erzielen persönlicher "Rekorde" durch schwierige oder interessante Fahrten. Einer der romantischeren Versuche war, den "Blue Train" zu schlagen. In jener fernen Zeit war dies der Schnellzug, der die Prominenten und Reichen aus den Nebeln und dem Frost eines Winters in England in das akzeptablere Klima der französischen und italienischen Riviera brachte.
Der Zug "Blue Train", bestehend aus mehreren blau lackierten, luxuriös ausgestatteten Pullman-Wagen und einem Restaurantwagen, wartete in den 1930er Jahren in Calais auf die Ankunft des 11-Uhr Zuges, der von der Victoria-Station in London abfuhr, und das anschließende Dampfschiff ab Dover. Er dampfte dann gegen 14.30 Uhr los nach Vintimille, kurz hinter Menton, nachdem er in Nizza diejenigen abgesetzt hatte, die die französische Riviera bevorzugten. Ihn zu übertreffen schien eine herausfordernde motorsportliche Leistung zu sein.
Tatsächlich wurde der erste erfolgreiche Versuch nicht von Amateur-Enthusiasten unternommen, sondern als professioneller Werbegag für die Rover Company, organisiert von ihrem umtriebigen PR- und Werbechef Dudley Noble. Die „Trials“, die damals zur Werbung für Automobile veranstaltet wurden, waren fast endlos, und vielleicht findet sich eines Tages jemand, der mehr Hartnäckigkeit besitzt als ich, einige der bemerkenswertesten in ein Buch zu fassen. Schauen wir uns in der Zwischenzeit an, wie der Versuch, den "Blue Train" zu schlagen, verlief.
Noble behauptete, es seien viele derartige Versuche unternommen worden, jedoch stets erfolglos. Im Januar 1930 unternahm er einen neuen Anlauf, mit dem nagelneuen Rover Light-Six Sportsman’s Saloon. Als kompetenten Journalisten nahm Dudley Harold Pemberton mit, Motor-Korrespondent des Daily Express, und Frank Bennett, ein Testfahrer des Rover-Werks, der notfalls das Fahrzeug reparieren konnte. Das aufregende Unternehmen bedurfte der Freigabe durch den Express - Chefredakteur Beverley Baxter, dessen Werbeleiter W Needham und sogar des Generaldirektors der Zeitung, E J Robertson. Noble hatte das Vorhaben offensichtlich in eine Geschichte für den Express eingebunden. Übrigens, damals schon kostete ein Werbeplatz auf der Titelseite £750. Die Werbung in der Daily Mail mit einer Auflage von über 2.000.000.000 Stück wurde mit bis zu £1200 berechnet.
Der verbesserte Rover, für den diese Fahrt werben sollte, war kein teures Auto. Tatsächlich kostete der zweitürige Sportsman’s Saloon mit vorderen „Fahrrad“ - Kotflügeln £325, oder £332 mit dem optionalen Vierganggetriebe.
Dudley Noble hatte festgestellt, dass,so aufregend wie das Bezwingen des Schnellzugs klingen mochte, die Fahrt mit einer bescheidenen Durchschnittsgeschwindigkeit durchgeführt würde. Dies lag daran, dass es einige Zeit dauerte, Paris vom Gare du Nord zum Gare de Lyon zu umfahren; dazu kam es zu Aufenthalten in Dijon und Marseille zum Wechsel der Lokomotiven. Damit blieb die Durchschnittsgeschwindigkeit weit unter glamourösen 60 Meilen pro Stunde, tatsächlich betrug sie weniger als 40 Meilen pro Stunde für die 750 Meilen lange Reise von Calais nach St. Raphael. Außerdem erfolgte bei dieser Fahrt auch nicht darum, das Auto über den Kanal zu transportieren, wie bei den bahnbrechenden Rekordversuchen mit dem Rover 9/20 hp von London nach Monte Carlo und umgekehrt.
So brachten Dudley und seine beiden Begleiter den Rover zuvor über das Meer. Zu gegebener Zeit stationierte man den Rover Light-Six am Bahnübergang in Calais, mit laufendem Motor, abfahrbereit beim ersten „Puff“ des „Blue Train“ (Eisenbahnfreunde werden wissen, welche Art von Lokomotive vorgespannt war). Nach 5½ Stunden Fahrt - der Rover hatte eine Stunde Vorsprung vor dem Zug - kam Nebel auf. Man mußte in Chalon die Fahrt erfolglos abbrechen, nachdem die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 25 mph für die bis dahin absolvierten 300 Meilen gefallen war.
Die Rover - Crew beschlossen daraufhin, die Fahrt in entgegengesetzter Richtung durchzuführen. Sie fuhren also weiter nach St. Raphael. Von dort wetteiferten sie ab Sonntagabend wieder mit dem Zug. Leider schätzte Bennett nach etwa 30 Meilen Fahrt eine Kurve im strömenden Regen falsch ein. Er kam von der Straße ab und der Rover rutschte einen Abhang hinunter. Peinlich! Pemberton wurde dabei kurzzeitig bewusstlos. Das Auto konnte von einem Lastwagen zurück auf die RN7 geschleppt werden und blieb bis auf einige Beulen und einen defekten Auspuff unbeschädigt. Also fuhren sie wieder los und diesmal, trotz schlechter Wetterbedingungen, war der Rover erfolgreich, als er 20 Minuten vor Ankunft des "Blue Train" in Calais in den Gare Maritime einfuhr. In erneutem Nebel war die Geschwindigkeit auf 28 mph gesunken, die schnellste Etappe wurde mit 48 Meilen pro Stunde absolviert. Im Durchschnitt waren 38 mph erreicht worden.
Diese Fahrt erzielte einen hervorragenden Werbeeffekt in den Tageszeitungen erzielt, vor allem mit Pembertons Geschichte im Daily Express. Doch The Autocar, der solche Fahrten nicht schätzte, erwähnte das Ereignis nur kurz mit einem einzigen Bild. Bei dem erfolgreichen Rover handelte es sich zufällig um den gleichen Wagen, den das Magazin für seinen Testbericht im Vorjahr genutzt hatte.
Die Täuschung, der man sich bei dieser Werbeaktion hingab, ist ziemlich aufschlussreich. Zum Beispiel wurde der Versuch so geschildert, als sei er von einer Gruppe von Freunden unternommen worden, von denen einer mit dem "Blue Train" gefahren sei, während die anderen im Rover fuhren. Es wurde nicht erwähnt, dass die Besatzung Profis waren, mit Noble als Vertreter der Rover Company. Auch schreibt er in seinem Buch nicht, dass einer der Gruppe im Zug gefahren ist. In den Zeitungsartikeln wird absichtlich angedeutet, dass der Fahrer ein gewöhnlicher Eigentümer war und die Anwesenheit des Autos in St. Raphael ganz beiläufig!
Nach dieser viel beachteten Fahrt fanden andere Wettfahrten gegen den "Blue Train" statt. Der Platzmangel schließt aus, all diese Bemühungen zu beschreiben, auch wenn es noch Aufzeichnungen über diese Versuche gibt; aber ich kann den Spaß und das Gefühl für Abenteuer nachfühlen, das sie für jüngere, begeisterte Menschen bedeuteten.
Allerdings widersetzte sich der RAC diesem Trend, wie er es schon bei den Wettfahrten vor 1914 nach Monte-Carlo getan hatte.
Ein weiterer berühmter Zug, der ebenfalls Gegenstand von Bemühungen war, ihn mit dem Auto zu überholen, war der „Orient Express“. Dudley Noble machte seine Fahrt 1937 mit einem neuesten Humber; er nahm Bill Mackenzie, Motor-Korrespondent der Daily Mail, mit an Bord, nachdem er Unterstützung durch den Werbe - Manager dieser Zeitung, Leonard Raftery, erhielt. Sie mussten wegen eines Pleuel-Schadens aufgeben. Aber man kann über dieses Abenteuer und andere Werbemaßnahmen in Nobles sehr lesenswertenBuch „Milestones in a Motoring Life (London, 1969), nachlesen.
Ein weiterer Zug, gegen den Automobile antraten, war der „Scottish Express“. G E Scott, der im Winter 1931 zur Belegschaft von Clement Talbot Ltd. gehörte, überholte ihn um 33 Minuten von Glasgow nach London mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 53 mph. Scott benutzte einen der Sport-/Rennwagen Talbot 105, der seine Startnummer, 28, führte, mit einer Händlerzulassung. Seine Leistung weckte Kritik, dass solche Läufe gefährlich seien, wenn sie von Laien durchgeführt würden. Besonders, nachdem der Besitzer eines Rover Meteor behauptete, diesen Schnellzug um 55 Minuten geschlagen zu haben. Dieser Fahrer war bestrebt, seine Leistung weiter zu verbessern und bot an, die Fahrt mit leistungsfähigeren Autos zu wiederholen. Er sagte, seine Fahrt sei ohne Risiko durchgeführt worden. Was man glauben kann. Und er machte den Vorschlag, bei zukünftigen Versuchen einen Verkehrspolizisten mitfahren zu lassen. Allerdings nahmen die Einwände gegen diese Wettfahrten massiv zu.
Vor dem Verlassen dieses Themas ist noch ein erfolgreicher Angriff auf den "Blue Train" zu erwähnen, der kurz nach der Fahrt von Noble stattfand. Im März 1930 fuhr der berühmte Bentley-Rennfahrer, Capt Woolf 'Babe' Barnato, der bei sich zu Hause an der Riviera Urlaub machte, gegen den Zug. Ein Freund setzte 100 Pfund darauf, dass er nicht vor dem Expresszug an die Küste ankommen würde. Als er von der Abfahrt des „Blue Train“ informiert wurde, bestieg Barnato sein Speed-Six Bentley Gurney Nutting Coupé mit der niedrigen Dachlinie, die hinten nur einen einzigen Querrücksitz erlaubte. Er fuhr so schnell wie möglich allein nach Calais, nahm ein Kanalboot und fuhr weiter nach London, wo er etwa vier Stunden vor der Ankunft des Verbindungszugs in der Victoria Station mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 43,44 mph in seiner Wohnung ankam.
Die Geschwindigkeit durch Frankreich muss deutlich höher gewesen sein und führte, so heißt es, dazu, dass Barnato von der FIA mit einer Geldstrafe in Höhe von 160 Pfund belegt wurde, obwohl nicht sicher ist, wie sie dies gegen einen britischen Bürger für eine öffentliche Straßenfahrt tun konnte. Dies führte zu Terence Cuneo's feinem Gemälde von „Bentley and Blue Train“, die auf dieser epischen Reise Seite an Seite rasten. Straße und Schiene verliefen sicherlich Seite an Seite zwischen St. Raphael und Brignoles, aber es handelte sich um eine künstlerische Freiheit, da sowohl der Rover als auch der Bentley absolvierte diesen Teil der Strecke im Dunkeln. Der „Blue Train“ - Bentley wurde kürzlich von Hugh Harben restauriert und befindet sich heute in Amerika.
Es ist interessant, dass der Rover, der solche "Blue Train"-Rennen anführte, vom British Motor Industry Heritage Trust restauriert und in seinem Syon Park Motor Museum in Brentford ausgestellt wird. Peter Mitchell, der Geschäftsführer, der seit etwa zehn Jahren alles zu diesem Wagen kennt, gibt in einem Handzettel die Höchstgeschwindigkeit des Wagens mit 80 mph an. Rover selbst gibt für den Wagen 70 mph an, er könnte für Dudley Noble getunt worden sein.
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