ROVER 'M1'

Tests und Berichte

1945-1946

 

Am 10. August 1949 erschien in "The Motor" unter dem Titel Hinter der Hintertür ein Artikel über das ROVER - Projekt "M1" - zwei Jahre nach dessen Einstellung. Unseres Wissens ist dies der einzige Artikel, der sich intensiv mit dem "M1" befaßte. Und der Artikel basiert auf einem Interview mit Maurice Wilks, dem ROVER Chef-Ingenieur. Deshalb wollen wir ihn Ihnen nicht vorenthalten.

Hinter der Hintertür
Die bisher unveröffentlichte Geschichte eines Rover Economy Projekts, das sowohl die umfangreiche experimentelle Arbeit, die hinter den Kulissen in Solihull stattfindet als auch den Einfluss des Wandels ökonomischer Bedingungen auf die aktuelle Produktionspolitik darstellt.
Von Harold Hastings

Von Zeit zu Zeit sind Mitglieder von "The Motor" in der privilegierten Lage, Fahrzeuge zu bewegen, die offiziell nicht existieren. Aus vielerlei Gründen liegt eine Politik des Schweigens über diesen experimentellen und prototypischen Modellen. Aber diese Zurückhaltung ist nicht ohne unglückliche Aspekte. Würde der Öffentlichkeit mehr bewusst, welchen Umfang die experimentelle Arbeit hat, die sich hinter den Kulissen abspielt, wäre eine größere Wertschätzung der Unternehmen, die in den letzten Jahren Großbritannien zum größten Autoexporteur der Welt gemacht haben. Und die Politiker wären vielleicht weniger anfällig gegenüber unüberlegten Vorschlägen zur Reorganisation eine Branche, über die viele von ihnen nur sehr wenig wissen.

Aus diesem Grund bin ich der Rover Co. Ltd besonders dankbar für die Erlaubnis, über einen Prototyp - den ich kürzlich ausprobieren durfte - zu berichten. Ein Modell, das aus verschiedenen Gründen, die später behandelt werden, nie von seinen Entwicklern produziert werden durfte. Die Tatsache, dass dieses Auto zufällig ein Rover ist, erachte ich als ebenso einzigartig wie die Darstellung der Vielfalt der experimentellen Arbeit, die im Rahmen einer Firma, die (abgesehen von ihrer Arbeit an Gas-Turbinen - das ist eine andere Geschichte) in der Regel eine konsequente Umsetzung gut definierter Leitlinien verfolgt.

Mr. Maurice Wilks, der Rover Chef-Ingenieur, gab mir die Möglichkeit, die Hintergründe der Entwicklung des 'M1', wie er in der Firma heißt, zu verstehen.

"Wie Sie wissen," sagte er, "waren wir während des Krieges mit der Entwicklung und Herstellung der Meteor-Turbinen-Triebwerke beschäftigt. Und erst, als sich das Kriegsende abzeichnete, waren wir in der Lage, über die Art von Automobilen, die wir bauen könnten, wenn Frieden wäre, nachzudenken. "Offensichtlich müßten wir einen Neustart durchführen mit der Produktion einer Reihe von Modellen, die in engem Zusammenhang mit unseren Vorkriegsmodellen stehen. Gleichzeitig schien es uns, als ob eine große Nachfrage nach wirtschaftlichen Fahrzeugen zu befriedigen sei. Es schien, dass das Benzin auf Jahre hinaus knapp bleiben würde. Dies könnte automatisch zu einem großen Markt für Kleinwagen mit niedrigem Kraftstoffverbrauch führen.

“Wie Sie wissen, ist diese Forderung nach minimalem Kraftstoffverbrauch nicht eingetreten, und die Leute scheinen immer noch nicht so sehr daran interessiert zu sein, wie man es erwarten würde.

"Zurück zum M1, unsere Vorstellung war, dass es Nachfrage für ein wirklich kleines Qualitätsauto geben würde, das Menschen anspräche, die in der Vergangenheit teure Wagen gefahren hatten und nun nach kleineren, sparsamren Wagen gleichen Standards suchen.

"Das war der Ursprung des M1. Die Idee war zunächst ein offener Wagen. Ich kann Ihnen ein kleines Modell zeigen. Ja, das hier ist es. Später haben wir entschieden, dass eine geschlossene Karosserie erforderlich sei, und wir haben ein Dach hinzugefügt.
Herr Wilks zeigte die beiden attraktiven, stromlinienförmigen Modelle.

"Das war der ursprüngliche Entwurf", fuhr er fort. "Wie Sie sehen, entspricht der Vorderwagen dem heutigen Design - Standard Im Laufe der Zeit kamen wir zur Einsicht, dass unser Publikum noch nicht bereit war, solche moderne Fronten zu akzeptieren, und wir haben den Kompromiss zwischen altem Stil und modernem Design gefunden, den Sie im Prototyp gesehen haben.

"Nachdem wir den M1 bis zu diesem Stadium entwickelt hatten geschahen verschiedene Dinge. Zuerst erkannten wir, dass wir nicht genügend Stahl für die geplante Produktion der Vorkriegsmodelle bekämen, geschweige denn für ein zusätzliches Modell.

"Dann kam der Appell der Regierung zur Rationalisierung - Sie wissen schon, der "ein-Hersteller-ein Modell" - Aufruf, gepaart mit einem Schwerpunkt auf Mittelklassewagen, in der Überzeugung, dass solche Modelle die Nachkriegsbedürfnisse im Exportbereich darstellten. Diese politischen Einflüsse, gepaart mit den Änderungen der Besteuerung, die stattfanden, tendierte alles dazu, die Betonung des wirklich kleinen Autos zu unterlassen.

"Im Angesicht von so vielen externen Einflussnahmen haben wir widerstrebend entschieden, dass der Platz, den wir für den M1 im Nachkriegsmarkt vorhergesehen hatten, nicht gegeben war. Dementsprechend wurde die Entwicklung des M1 im frühen Prototypenstadium eingestellt.

Die Abbildungen sind daher als grundlegend zu betrachten, eher Konzeption als fertiges Produkt. Viele bemerkenswerte Charakteristika ergeben sich jedoch aus einer Prüfung des Entwurfs mit der primären Raum- und Gewichtsersparnis - beides von höchster Bedeutung, wenn eine angemessene Unterbringung der Passagiere und verkehrstaugliche Leistungen mit einem kleinen und sparsamen Motor erreicht werden sollen. Die vielleicht interessanteste Eigenschaft des Ganzen ist jedoch die konsequente Abkehr vom herkömmlichen Fahrgestell mit kombinierter Stahlblechkarosserie. Die Basis des M1 ist eine plattformähnliche Struktur aus Leichtmetall-Pressteilen. Wie Sie sehen erfolgt die hauptsächliche Längsaussteifung durch eine zentralen Tunnel, der die Kardanwelle abdeckt, während zusätzliche Längs- und Queraussteifungen mit der Plattform punktverschweißt weden in Form von Kastenprofilen. An der Vorderseite der Plattform sorgt ein weitere, von uns gefertigte Konstruktion mit einem doppelten Querschott, die der Karosserie Steifigkeit verleihen soll und gleichzeitig eine Halterung für die freitragende Konstruktion, die den Motor trägt. bildet. An der Rückseite ist die Plattform nach oben verlängert und durch triangulierte Pressungen gut geeignet, um die Karosserie zu versteifen und als Widerlager für die hinteren Schraubenfedern zu dienen.

Das Ergebnis ist eine sehr leichte, aber starke Struktur, die nicht nur als normales Fahrgestell dient, sondern auch als zusätzliche Versteifung für die Leichtmetall-Karosserie, die sie wie eine Schale umgibt und somit leichter als die herkömmliche Konstruktion ist - ohne auf Verwindungs-Steifigkeit zu verzichten. Ein Leergewicht von 13½ cwt ( ca. 686 kg) zeigt, dass sich diese Maßnahmen gelohnthaben.
Ein Merkmal der unabhängigen Vorderradaufhängung aus Schraubenfedern und Schwingarmen ist, dass die obere Führung nur dazu dient, das Rad in vertikaler Ebene zu halten, während Bremskraft und Drehmoment von einem geschmiedetem unteren Arm, der um einen Drehpunkt unterhalb des Getriebes schwingt, aufgenommen werden. So bildet die untere Baugruppe ein Dreieck mit ungewöhnlich breiter Basis. Der Einsatz von Gummibuchsen dient der konsequenten Beseitigung von Schmierstellen.
An der konventionellen Hinterachse werden ebenfalls Schraubenfedern eingesetzt, dazu Längslenker und ein Panhardstab. Wie an der Vorderradaufhängung reduzieren auch hier Gummibuchsen den Wartungsaufwand auf ein Minimum.

Hochoktan-Ausführung
Die Karosserie hat Platz für die Passagiere gewonnen durch die ungewöhnlich weit nach vorne verschobene Montage des Motors. Das hintere Ende des Zylinderblocks ist in Wirklichkeit fast auf gleicher Höhe wie die vorderen Radnaben. Der Motor ist eine 700 ccm - Ausgabe des IOE- Designs, das jetzt auch im aktuellen Rover bekannt geworden ist. (Anm.: Als der Artikel erschien, war bereits der P3 auf dem Markt). Durch die Aufteilung zwischen Zylinderblock und schräg aufgesetztem Zylinderkopf wird ein sphärischer Brennraum geschaffen; die obenliegenden Einlassventile hängen in einer 22°-Neigung Grad zur Senkrechten, die unten liegenden Auslassventile sind um 55° Grad geneigt. Infolgedessen kann der Motor effektiv „atmen“, der Kraftstoff verwirbelt optimal und mit ausgeprägter Klopffestigkeit.

In letzterem Zusammenhang ist interessant, dass das Verdichtungsverhältnis von 9 : 1 des Prototyps in der Erwartung gewählt wurde, dass die Vorkriegs - Kraftstoffe mit 80 Oktan wieder erhältlich gewesen wären, sobald der M1 in Produktion ginge. Diese hohe Quote, in Verbindung mit dem Einsatz von 80-Oktan-Kraftstoff für die Prüfstandsversuche, ist zum Teil für die außergewöhnlich hohe Leistung von 28 b.h.p. bei 5.000 U/min verantwortlich. Und sie veranschaulicht, wie die Entwickler durch die heutigen minderwertigen Kraftstoffe behindert werden.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt des Motors ist das relativ quadratisches Hub-/Bohrungsverhältnis mit seinem ausgeprägten Vorteil von niedrigen Kolbengeschwindigkeiten. So beträgt diese bei der Spitzendrehzahl von 5.000 U/min nur 2.250 ft/min, während bei der hohen Achsübersetzung eine Kolbengeschwindigkeit von 2.500 ft./min einer Höchstgeschwindigkeit auf der Straße von 81 mph (=130 km/h) entspricht. Dabei wird das übliche Maximum nur geringfügig überschritten - mit anderen Worten, dieser Rover M1 ist eines der Autos, die man auch mit Höchstgeschwindigkeit fahren kann, ohne Skrupel in Bezug auf Überbeanspruchung zu haben.

Diese Neigung zum unangestrengten „Cruisen“ auf der Straße war besonders deutlich zu erkennen, als ich das Auto für eine kurze Zeit fahren konnte. Natürlich ist die hohe Achsübersetzung auch eine Aufforderung, das Getriebe häufig zu schalten, besonders, wenn starke Beschleunigung gefragt ist . und der dritte Gang wird auch auf hügeligen Landstraßen häufig gebraucht, wenn die Reisegeschwindigkeit beibehalten werden soll.
Auf der anderen Seite erwiesen sich 50 mph (= 80 km/h) als relativ müheloses Tempo im ruhigen dritten Gang. Und es wurde ziemlich offensichtlich, dass sehr ansprechende Durchschnitte gefahren werden können, wenn es dem Fahrer nichts ausmacht, das Getriebe zu benutzen.
Ich war nicht in der Lage, die mögliche Durchschnitts-Geschwindigkeit im 4. Gang zu testen, aber sie schien im Bereich von 58-60 mph (= um 95 km/h) zu liegen.

In einem Fahrzeug dieses Typs ist ein problemloser Gangwechsel wichtiger als sonst, und der Rover hielt sich in dieser Hinsicht besonders gut. Durch die nach vorn geschobene Motor-Getriebe-Einheit mußten die Konstrukteure eine Art Fernsteuerung für die Schaltung entwickeln. Als Lösung nahm man einen Schalthebel, der aus dem Armaturenbrett ragt, etwa in dem Stil, der bei bestimmten Autos mit Frontantrieb, wo ein ähnliches Problem besteht. Diese Anordnung fand ich besonders zufriedenstellend, da nur vergleichsweise kleine Hebelbewegungen nötig sind.

Fahrwerk und Lenkung
Das Federungssystem sorgte für einen sehr hohen Fahrkomfort. Bei gemäßigter Fahrt entstehen nur geringe Roll- und Nickbewegungen, der einzige offensichtliche Nachteil ist eine ausgeprägte Übersteuerungstendenz oberhalb bestimmter Kurvengeschwindigkeiten. Dies ist im übrigen eine Besonderheit, derer sich die Hersteller voll bewusst war und die bei fortgesetzter Entwicklung sicher abgestellt worden wäre. Ein möglicher Lösungsansatz wäre die Verwendung eines Stabilisators an der Vorderachse gewesen, um der erhöhten Gewichtsverlagerung auf die Vorderräder bei Kurvenfahrt entgegenzuwirken.

Die Lenkung selbst war bemerkenswert leicht und obwohl bei erstem Anschein das l5in (= 38 cm) Lenkrad ziemlich klein erschien, gewöhnte man sich schnell daran und schätzte seine Vorteile in einem Kleinwagen, bei dem der Lenkaufwand in jedem Fall gering ist. Ein Wendekreis von nur 28 ft 6 in (= 8,69 m) fiel angenehm auf. Zur Karosserie selbst sage ich nicht viel, da auch hier im Laufe weiterer Entwicklung erhebliche Veränderungen vorgenommen worden wären. Bemerkenswerte Punkte waren jedoch die sehr gute Bewegungsfreiheit auf den Vordersitzen, die zum Teil durch den Einbau von Schiebefenstern erreicht wird, die Vertiefungen in den Türen ermöglichen. Dadurch hat der Ml eine Innenbreite auf Ellenbogenhöhe von 52½ in (=133 cm) bei einer Gesamtbreite des Wagens von 56 in (= 142 cm). Die Kopffreiheit von 34½ in (= 88 cm) vom Sitz bis zum Dach war ebenfalls bemerkenswert gut. Beim Prototyp waren die hinteren Sitze für die gelegentliche Nutzung durch zwei Kinder oder einen Erwachsenen bestimmt, aber auch hier wurden Veränderungen in Betracht gezogen.

Diese und verschiedene andere Entwicklungspläne waren zu dem Zeitpunkt, an dem beschlossen wurde, auf die weitere Entwicklung des Projekts zu verzichten, im Gespräch. Dennoch ist der Prototyp eine sehr interessante Antwort auf die Frage nach der Bereitstellung eines wirklich sparsamen Kleinwagens, der eine große Anzahl von Käufern im In- und Ausland ansprechen würde.
Hätten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seine weitere Entwicklung nicht verhindert, hätte sich der Rover Ml zweifellos als eine der besten populären Ergänzungen der Palette der britischen Autos erwiesen und darüber hinaus Rovers Popularität in neue Sphären erhoben. Es scheint in der Tat bedauerlich, dass die wirtschaftlichen Bedingungen dazu führten, dass ein so vielversprechender Entwurf beiseite gelegt wurde.

Hinweis:
Die dem Artikel im Original beigegebenen Abbildungen finden Sie unter ⇒ ‘M1’ Technik

 

Rover M1 Prototyp
Vom ROVER 'M1' gibt es nur sehr wenige Bilder. Die Seitenansicht gibt es in mehreren Variationen, die sich nur in der Bildgröße unterscheiden.

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