ROVER 12 hp Motor Cab

Das R.M.C. Syndicate Limited

1907 - 1911

 

Der Hintergrund der Geschichte

1907 ist das Jahr des Motortaxi in Großbritannien - dort als Motor Cab bekannt. Man findet sie bevorzugt und in wachsender Zahl in der Metropole London.
Mitte des Jahres gibt Innenminister Gladstone auf eine Anfrage im Unterhaus die aktuellen Bestandszahlen für London bekannt. Somit fuhren dort Ende 1906 10.792 Pferdetaxis - so genannte Hansoms - und 53 Motortaxis. Ende Mai 1907 fuhren bereits 284 Motortaxis, die Zahl der Pferdetaxis ging auf 10.251 zurück. Bereits für 1908 wird offiziell mit 3.000 Motortaxis in London gerechnet. Damit ist eine zügige Umstellung absehbar.
Im ähnlicher Geschwindigkeit erfolgt der Austausch von Pferde-Omnibussen gegen Motor-Omnibusse. Gab es Ende 1905 noch 3.551 Pferdebusse, sank die Zahl Ende 1906 auf 3.484, Ende 1907 auf 2.964. Sie werden jedoch nicht nur durch Motorbusse ersetzt, sondern es werden mehr Motorbusse zugelassen als Pferdebusse wegfallen.

Somit nimmt man für das Motortaxi ein zahlenmäßig eindeutig schnelleres Wachstum an. Die Vorteile gegenüber dem Pferdetaxi sieht man sowohl für die Betreiber von Motortaxis wie auch für deren Kunden als sehr groß an. Zugunsten des Kunden werden vor allem dank der Einführung des Taxameters weniger Streitereien um den Fahrtpreis angeführt. Für die Meile werden zunächst 6d, später 8d berechnet. Hinzu kommt der Geschwindigkeitsvorteil gegenüber dem Omnibus, dessen Höchstgeschwindigkeit auf 12 mph festgeschrieben ist. Bei freier Straße erreicht die Motordroschke 20 bis 25 mph / 32 bis 40 kmh.

Es verwundert nicht, dass diese Umstellung zu Demonstrationen der Pferdetaxi - Betrieber führt. Man macht geltend, dass sehr viele Jobs verloren gehen würden, vor allem einfache Jobs wie Pferdetränker und Straßenreiniger. Kurios ist auch ein Patent, das den Umbau des Pferdetaxis zum Motortaxi ermöglichen soll, indem anstelle des Pferdes ein Motorvorspann die Kabine zieht.

Immer wieder vergleicht man den Taxibetrieb in London mit dem in Berlin und Paris. Dabei werden in Leserbriefen stets die schmutzigen und schlechten Straßen in London bemängelt, die den Betrieb von Motortaxis stören würden.
Als beschämend wird empfunden, dass die meisten vorhandenen Motortaxis ausländischer Herkunft sind - UNIC, Fiat, Darraq, Renault, um nur einige zu nennen. Man führt dies auch auf den Rückstand des Automobilbaus in Großbritannien gegenüber kontinentalen Ländern zurück, den man mit den restriktiven Gesetzen begründet.
Vorausschauende Beobachter kritisieren generell den Trend, normale Fahrgestelle mit Aufbauten zu versehen, die den gewohnten Pferdetaxis ähneln.

Eine neue Branche entwickelt sich

Vor dem geschilderten Hintergrund entstehen zahlreiche Unternehmen, die sich mit der Entwicklung und dem Betrieb von Motortaxis befassen. Auch die britische Automobilindustrie entwickelt mit Hochdruck geeignete Fahrgestelle. Bezüglich Rover ist nicht klar erkennbar, ob man aus eigenem Antrieb oder durch Vorgespräche mit dem beratenden Ingenieur von R,M.C. aus dem Fahrgestell des Tourist-Trophy-Gewinners das Fahrgestell des 12hp Motor Cab entwickelt. Und dies geschieht schnell, denn schon Anfang Juli 1907 meldet die Fachpresse ihre Bewunderung für das von Edmund Lewis mit einem neuen Zweizylinder-Motor ausgestattete Fahrgestell.

Das am 14. Juni 1907 eingetragene Rover Motor Cab Syndicate Limited - folgend kurz R.M.C. genannt - ist keine Gründung von Rover. Hinter dieser Firma steht James Hargreaves Dickinson, ein Ingenieur mit etwas undurchsichtiger Geschichte. Mit nur 500 Pfund, geliehen von seinen Eltern, tritt er als Gründer und Förderer mehrerer Firmen auf, darunter auch R.M.C., das recht großspurig auftritt. Das Grundkapital beträgt £5.000, eingeteilt in 100.000 Stammaktien zu je einem Shilling. Am 22. August 1907 wird das Kapital auf £20.000 erhöht, indem 300.000 zusätzliche Aktien zu je einem Shilling ausgegeben werden.
Dickinson selbst erwirbt von der Rover Company Ltd. das alleinige Recht an der Rover Motor Cab und dem Namen "Rover" in Verbindung mit Motor Cabs. Dafür verpflichtet er sich vertraglich, eine Mindestanzahl Motor Cabs innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Betrieb zu nehmen. Mit Vertrag vom 4. Juli 1907 verkauft Dickinson seiner Firma R.M.C. 500 Fahrzeuge, komplett mit Reifen und Karosserie, aber ohne Zubehör, zu einem Preis von £300 pro Stück, wobei die Motor Cabs ab September 1907 in einer Mindestzahl von 20 pro Monat zu liefern wären. Mit einer weiteren Vereinbarung vom 17. August 1907 teilt R.M.C. Dickinson 40.000 voll eingezahlte Aktien zu, als Gegenleistung für die im Zusammenhang mit der Förderung des Unternehmens 'erbrachten oder noch zu erbringenden' Leistungen. Diese Vereinbarung wird durch eine weitere Vereinbarung zwischen Dickinson und R.M.C. ersetzt, in der sich Dickinson verpflichtet, dem Unternehmen vier Jahre lang alle benötigten Rover Motor Cabs zu je £270 zu verkaufen, sofern das Unternehmen in den ersten beiden Jahren pro Jahr mindestens 500 und im dritten und vierten Jahr nicht weniger als je 200 Motor Cabs kauft. R.M.C. soll die ausschließliche Lizenz zur Verwendung des Wortes "Rover" erhalten, und R.M.C. gibt in Anbetracht des Nutzens und der Rechte, die ihm übertragen werden, und unter der Bedingung, dass Dickinson zustimmt, die 40.000 voll eingezahlten Aktien zurückzugeben, 100.000 voll eingezahlte Aktien an Dickinson aus. Die 40.000 Aktien wurden daraufhin eingezogen.

Ein gutes Geschäft für Rover?

Ein optisch zweifellos großartiges Geschäft für Rover. Doch alles in allem sieht die Angelegenheit reichlich blauäugig aus. Eine Firma, die weder vom Verkauf noch vom Betrieb von Motor Cabs eine Ahnung hat, will in zwei aufeinander folgenden Jahren je 500, danach jährlich 200 Motor Cabs auf die Straßen bringen. Dabei steht aktuell keinerlei Verkaufsmannschaft bereit, die dafür vorgesehene Firma namens Rover Motor Cab Company Limited ist noch nicht gegründet. Und jeden Monat treten weitere Konkurrenz-Unternehmen auf den Markt, die sich mit Macht - und meist mehr Kapital - in dieses Motor Cab - Geschäft drängen. Rein rechnerisch geht das auf, denn insgesamt sind in wenigen Jahren allein in London über 10.000 Pferdetaxis zu ersetzen. Doch R.M.C. bringt erst Ende Juli 1907 einen Verkaufsprospekt zum Motor Cab heraus; in einer Pressemitteilung spricht man davon, dass das gesamte Kapital gezeichnet sei. Dem stehen die Aussagen im späteren Insolvenz - Verfahren diametral entgegen.
Mit großen Worten versucht man, eine Motor Cab - Vergleichsfahrt von Land’s End nach John o‘Groats auf die Beine zu stellen. Doch was soll eine Fernfahrt über die Zuverlässigkeit im täglichen Stadtverkehr aussagen? Der Vergleich findet daher nicht statt.

Ab Oktober 1907 inseriert R.M.C. und sucht landesweit Agenturen, die Rover Motor Cabs verkaufen sollen. Schon Ende des Monats verkündet R.M.C., dass zahlreiche Agenturen im Aufbau seien. Dabei müßten schon Fahrzeuge verkauft sein, denn Rover soll laut Vertrag seit September monatlich mindestens 20 Wagen liefern. Doch der Run auf die Agenturangebote bleibt aus. Per Presse und Inserat vom Dezember 1907 kündigt R.M.C. an, dass in Kürze mehr als 500 Rover Motor Cabs auf Londons Straßen fahren würden, nachdem man Anfang Dezember großes Wachstum und die Ausgabe neuer Aktien bekanntgab.

Doch schon im Februar 1908 beantragt ein Druckerei-Inhaber das Insolvenzverfahren gegen R.M.C., da seine Rechnungen nicht beglichen wurden. Und das Ende naht sehr schnell: am 17. März 1908 wird die Insolvenz des Unternehmens verkündet und ein Insolvenzverwalter beauftragt. Am 1. Juli 1909 wird das Insolvenzverfahren als beendet erklärt, zwei Jahre später wird die Firma R.M.C. gelöscht.

Am 15. Dezember 1908 kam das Thema R.M.C. auf der 13. ordentlichen Rover - Versammlung nochmals auf den Tisch, da ein Rover - Aktionär namens Larette bemängelte, die Rover-Aktie habe nach der Bekanntgabe der Verbindung zu R.M.C. stetig an Wert verloren. Er schlug vor, aus diesem Grunde Sir Frederik Dixon-Hartland als Vorsitzenden nicht wieder zu wählen. Ein weiterer Aktionär unterstützte dies.
Sir Frederik entgegnete, er habe den Prospekt der geplanten Firma R.M.C., der während seines Auslandsaufenthalts herausgegeben wurde, nie gesehen. Sobald er davon erfahren habe, habe er geschrieben, dass er sich von der Rover Company zurückziehen würde, falls diese in irgendeiner Weise mit dem Taxiunternehmen verbunden sei. Außerdem wurde der Prospekt ohne die Zustimmung oder das Einverständnis der Rover Company herausgegeben, die in dieser Angelegenheit kein Geld verloren habe, da sie nie an R.M.C. beteiligt gewesen sei.
Der Bericht der Direktoren wurde einstimmig angenommen, ebenso die Wiederwahl des Vorsitzenden.

In einer kleinen Time-Line nochmals die wichtigsten Punkte zum Rover Motor Cab Syndicate Limited.

Time - Line Rover Motor Cab Syndicate Limited, 1907 - 1911
DatumVorgang
14.06.1907Das R.M.C. Syndicate Limited wird registriert als Unternehmen zur Promotion und Finanzierung von Unternehmen aller Art, insbesondere einer Firma namens Rover Motor Cab Company.
Nominales Kapital von £5.000 in 100.000 Aktien je 1 Shilling.
Dickinson gibt an, von der Rover Company Limited die Alleinvertretung für das Motor Cab und den Namen “Rover” in Verbinding mit dem Motor Cab erworben zu haben. Dazu einen Vertrag über den Erwerb einer Anzahl Motor Cabs innerhalb einer bestimmten Zeit.
04.07.1907Dickinson verkauft der Firma R.M.C. Syndicate lt. Vertrag 500 Rover Motor Cabs, komplett mit Reifen und Karosserie, jedoch ohne Zubehör, zum Preis von je £300, zur Lieferung von mindestens 20 pro Monat ab September 1907.
25.07.1907R.M.C. Syndicate verkündet das Erscheinen eines Prospekts des Rover Motor Cab und erklärt die Zeichnung des gesamten Aktienkapitals für abgeschlossen.
17.08.1907Dickinson erhält von R.M.C. Syndicate 40.000 voll eingezahlte Aktien für geleistete und noch zu leistende Dienste zur Promotion der Firma. Ein weiterer Vertrag sieht vor, dass Dickinson der Firma vier Jahre land alle benötigten Rover Motor Cabs zum Preis von je £270 liefern werde, sofern während der ersten beiden Jahre mindestens je 500 Motor Cabs und im dritten und vierten Jahr mindestens je 200 Motor Cabs abgenommen würden. Dafür sollte Dickinson anstelle der 40.000 Aktien 100.000 voll eingezahlte Aktien je 1s erhalten.
22.08.1907Kapitalerhöhung auf £20.000 in zusätzlich 300.000 Aktien je 1s.
06.09.1907Das R.M.C. Syndicate gibt einen Prospekt heraus, der persönlich und vertraulich bevorzugt an Aktionäre der Rover Company Limited verteilt wird. Darin werden 293.900 Aktienanteile angeboten. Es werden 163.700 Aktien aus diesem Personenkreis gezeichnet, dazu 8.170 Aktien von anderen Personen.
24.10.1907R.M.C. Syndicate gibt eine große Nachfrage nach Agenturen bekannt.
31.10.1907R.M.C. Syndicate gibt bekannt, dass viele Agenturen im Aufbau seien. Außerdem sei eine Motor Cab Challenge mit dem R.A.C. vereinbart worden.
29.11.1907Das R.M.C. Syndicate gibt einen weiteren Prospekt heraus, der öffentlich die Zeichnung von 128.000 Aktien anbietet. Da nur 9.139 Aktien gezeichnet werden ist das gesetzte Minimum nicht erreicht. Die Einzahlungen werden zurückgezahlt. Zu diesem Zeitpunkt hat das R.M.C. Syndicate neun Motor Cabs verkauft und daraus einen Gewinn von £240 erlöst.
05.12.1907R.M.C. Syndicate gibt weitere Aktienausgabe und großes Firmenwachstum bekannt.
07.12.1907R.M.C. Syndicate kündet an, in Kürze würden 500 Rover Motor Cabs auf Londons Straßen fahren. Gleiches gelte für andere große Städte im Königreich.
25.02.1908Ein Kreditor beantragt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen die Firma R.M.C. Syndicate Limited.
17.03.1908Es ergeht die Insolvenzverfügung gegen die Firma R.M.C. Syndicate Limited.
20.03.1908Die Insolvenzanordung gegen das R.M.C. Syndicate wird veröffentlicht.
30.04.1908Unter Vorsitz des stellvetretenden Insolvenzverwalters Mr. Warley findet eine Kreditorenversammlung statt. Laut Zustandsbericht durch J.H.Dickinson, Managing Director, J. Lindsay Scott, Director, und F.C.Lewis, Secretary, stehen Verbindlichkeiten an 27 Kreditoren in Höhe von £2.215 8s 10d einem Vermögen von £1.893 0s 3d einschließlich Außenständen in Hhöe von £1.875 gegenüber. Die Differenz in Höhe von £322 8s 7d ist ungedeckt. Der Insolvenzverwalter teilt mit, dass weitere Forderungen eingegangen seien.
Einziger Tagesordnungspunkt ist die Ernennung eines Liquidators. Für dieses Amt wird H. Wingfield nominiert und akzeptiert und später von den Aktionären bestätigt.
24.12.1908Die Rover Company Limited erklärt, dass sie an der Firma R.M.C. Syndicate Limited in keiner Weise beteiligt war.
Eine Firma Rover Motor Cab Limited war nie gegründet worden.
01.07.1909Das Insolvenzverfahren gegen R.M.C. Syndicate wird als abgeschlossen erklärt.
30.05.1911Die Löschung der Firma R.M.C. Syndicate wird angekündigt.
07.11.1911Die Firma R.M.C. Syndicate ist offiziell gelöscht.
Erläuterung: Die Angaben in Standardschrift entstammen offiziellen Angaben zum Konkursverfahren. Angaben in kursiver Schrift sind Angaben in der Fachpresse entnommen, die auf R.M.C. Pressemeldungen basieren.
Verwendete Quellen
Commercial Motor, diverse Ausgaben 1907 - 1908
Country Life, 7. Dezember 1907
The London Gazette, diverse Ausgaben, 1907 - 1911

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